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Ode

Für Bernardo Soares

Die Zukunft neigt sich dem Ende zu
So lasst mich zuvor noch ein Gedicht schreiben
Ihr Götter, für Bernardo Soares
Den Dichter, den wir nie ohne Hut sahen

Die letzte Generation sieht man
Festgeklebt auf den Fahrbahnen
Großer Straßen. Die vorletzte
Generation sieht man festgeklebt
Am Lack ihrer Wohlstandsmobile
Die Narren kleben vergeblich am Leben

Und überall sehe ich
Wie Wirklichkeit verbrannt wird
Verbrannt, verbrannt, verbrannt
 
O Ihr Götter, ob es euch nun gibt oder nicht
Wir sterben als eure Knechte.

In der Tat, warum sollte es nützlicher sein
Von den Herstellern von Autobatterien
Zu träumen, als von dem Nussbaum
Vor meiner Tür? Warum
Sollte es interessanter sein
Einer politischen Eintagsgröße zuzuhören
Als der jungen Frau im Supermarkt
Die mir erklärt, wo die asiatischen
Saucen stehen? Was ist das Grinsen
Auf dem Wahlplakat gegen das freundliche
Guten Tag des Spaziergängers

Wie sollte jemand etwas von Göttern wissen
Der doch noch nicht einmal weiß
Was ein Gedicht ist

Sich in Worte fassen heißt überleben
Was aber ist ein Überleben?
Heißt Überleben über etwas leben?
Überlebt die Bewohnerin der 24. Etage
Den Bewohner der 23. Etage
Und die Bewohner aller anderen
Etagen darunter? Gewiss scheint nur
Dass die Götter uns überleben.

Oder bezieht sich Überleben auf einen Zeitraum?
Auf irgendwen von dem wir hoffen, dass er stirbt
Bevor wir sterben? Was zum Henker
Heißt überleben – wenn nicht
Den Henker überleben?
Wer aber tut dies schon.

Ich wünsche ihm alles Schlechte:
Sehr viel Geld und viele Rechte.

Sollte das etwa ein Gedicht sein –
Wer mich an seine Schulter drückt
Will mich nicht an sein Herz drücken

Wer mir die Hand gibt
Ohne sie auch zu drücken
Wird mich nicht halten
Wenn ich falle

Die Welt scheint voll
Von lauter Entweder – Oder
Soll ich nun den Zwang empfinden
Mich entscheiden zu müssen?

Welch eine Qual.
Wann soll ich dann leben?
Leben braucht Gelassenheit
Gelassenheit aber braucht
Dass man das Leben nimmt wie es ist
Dem Leben vertrauen,
Wie wir Mutter und Vater vertrauen.

Immerzu die Götter fragen,
So wie ich am Morgen
Den Blick aus dem Fenster befrage
Ob ich einen Pullover anziehen sollte

Wer zweifelt hat bereits verloren.

Der Tagesbeginn wirkt unschlüssig
Es ist weder noch morgendunkel
Noch schon vormittaggrau
Alles und jedes scheint noch zu schlafen
Als wäre das Universum ein Versehen.

Ist es tatsächlich ein Versehen,
Was war dann die eigentliche Absicht?

Was, so frage ich Sie, Señor Soares,
Wenn Irgendwer längst einen erneuten Versuch
Unternommen hat, diesmal jedoch erfolgreich?

Womöglich liegt unser Universum
Seit ewigen Zeiten auf irgendeiner Müllhalde?

Grund genug, gründlich sein Schicksal zu waschen
Und sich ein frisches Leben anzuziehen
So wie man sich ein frisches Hemd anzieht
Spätestens wenn das Leben das man trägt
In den Achseln schlecht riecht
Und der Kragen vom vielen Nichtstun
Verschwitzt ist. Obendrein
Sollte man sich den Mund ausspülen
Nachdem man gefragt hat
Gefragt, gefragt, gefragt:
Was gibt es Neues?

Wer lebt wie wir, der stirbt nicht.
Wer lebt wie wir, vergeht, verwelkt, verrottet.
Wir ängstigen uns, doch statt zu fliehen
Eilen wir der Gefahr entgegen, entgegen, entgegen.
Welch ein Irrsinn!
Ein Irrsinn, den nur Irrsinnige zu begreifen meinen
Woraufhin sie sich zu Psychologen erklären
Und hoffen, damit Gutes Geld zu verdienen.

Das Beste ist immer noch, übersehen zu werden
Obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass man
Aus Versehen erschossen wird
Dadurch nicht geringer wird.
Doch was liegt schon daran
Irgendwen oder was hat selbst der  überlebt
Dem am Überleben rein gar nichts liegt.

Gefragt, ob ich denn den Sinn des Lebens
Noch nicht gefunden habe, bleibt mir nichts
Als mit Nein zu antworten
Da ich ihn bislang auch nicht vermisst habe
Suche ich vorerst weiter
Mein dunkles Hemd, von dem ich immerhin
Denken kann, dass es ja irgendwo sein muss
Dass ich es gerne tragen werde, wenn
Ich es denn finde.

Was aber fange ich mit dem Sinn des Lebens an?

Ist es denn gewiss, dass es so einen Sinn überhaupt gibt?
Ich lebe. Soweit ich mich erinnere,
Wurde ich nicht gefragt
Ob mir daran liegt. Man sucht und sucht
Letztendlich findet einen dann der Tod
Der ohnehin die ganze Zeit wusste, wo man ist.

Was also soll ich mit dem Sinn des Lebens
Anfangen? Noch so etwas, das nur im Wege liegt
Wie diese Geschenke in den Lieferungen
Der Versandhändler. Lauter Dinge
Die ich nicht benötige, ohne den Mut zu besitzen
Sie einfach fortzuwerfen
Es könnte ja sein … So wie vielleicht
Irgendwer über dieses Universum denkt
Es könnte ja sein, dass es irgendwann zu etwas nütze ist
Doch tatsächlich ist es nie zu etwas nütze. Niemand
Hat es je gebraucht, für was auch immer
Es war nur unnütz und irgendwie immer im Wege
Irgendwann hat man vergessen, was das überhaupt ist
Wo man es her hat. Wofür man es braucht. So ist das.

Auf bald, Señor Soares. Ich wünsche mir
Die nächste Zukunft sollte wieder ein Park sein wie dieser
Mit sandigen Wegen, halbvollen Papierkörben und Bänken
Um im sanften Schatten alter Bäume darauf zu sitzen
Zu träumen und zu rauchen

Und gelassen zu schweigen
Wie der Dichter auf der Bank nebenan

*

aus: Folksmundts Albumverse

 

Lärmen frech die Untertanen
Lässt das wenig Gutes ahnen

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Maler sind schlechte Zahler
Dichter sind schlechte Richter

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