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Morgen
Das erste Buch des DDR-Autors Frank-Wolf Matthies ist ein Beispiel für die
Veränderung des Gesellschafts- und Literaturverständnisses der letzten Jahre.
Diese Gedichte und Prosastücke beschreiben die DDR-Wirklichkeit auf
beeindruckende Weise. Im Spannungsfeld von Beziehungslosigkeit, Verbitterung,
Ratlosigkeit und täglicher Verletzung vertritt dieser junge Autor das
Lebensgefühl einer Generation, die nicht verantwortlich ist für vergangene
Schuld, die nicht mehr bereit ist, das Bestehende zu akzeptieren, die anders
leben will. Da gibt es keine Angebote, keine Kompromisse mehr, aber schmerzhaft
genaue Beobachtungen. Unnachgiebig selbstbewußt und mit seltener
Eindringlichkeit und Ehrlichkeit besteht Matthies auf Beendigung der
Enttäuschung, und das gilt nicht nur für die DDR: <<MORGEN werde ich
mich aus dem sessel/ erheben & zu der tür gehen, die mich herausbringt/ aus
der mitte des hauses, vorbei am geöffneten/ balkon: sie wird meine hand nehmen
mit der ihren/ & sie legen in die andere: so werden wir es erreichen/ den
raum im großen traumhaus ständig zu betreten/ indem wir ihn verlassen: frei
von schuld: MORGEN>>
(aus: Rowohlt Katalog Frühjahr 1979)
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