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Geisterbahn 3

Bahn-

       bekannt-

            schaften

 

 

 

 

1 Broschüre für den populärwissenschaftlich interessierten Allgemeinleser mit und ohne Abitur, welcher im Besitz eines Regenschirms, Mut zum Konsumentenrisiko und der unerfüllbaren Sehnsucht, einst 1 Karriere als Geisterbahnpilot zu beginnen. Enthält  3 Untersuchungen  die 1 allgemeines Interesse  2fellsfrei in 3facher Hinsicht lohnen würden. Das Warum soll dem Begriffsstutzigen in der nächsten Ausgabe erläutert werden.

Band 3 - Auflage 100 nummerierte Exemplare, 27 Seiten, geklammert, erschienen November 2004; Folksausgabe Auflage 49 nummerierte Exemplare, erschienen im März 2005

Auszüge:

Die Eckbank

 

Die Eckbank, so höre ich unlängst ein schnippisches Frauenzimmer im Rundfunk verkünden, ist für mich der Inbegriff des Spießigen. Zack. Im Hintergrund hängt jenes allgemein bekannte konsummotivierende Gedudel, welches den Schnäppchenjäger gar nicht erst in die Versuchung kommen lassen soll, so anachronistische Gedanken zu denken, wie: Was tu’ ich hier eigentlich? Wann benutzt man in einer 1-Raum-Single-Wohnung eigentlich 6 Barhocker? Was fängt jemand ohne CD-Player mit 50 Klassik-Highlight-CDs an? Ist es wirklich ratsam, bei den derzeitigen Dollarkursen meine Plexiglasklobrille mit €-Scheinen zu füllen?

Schizophrenie als Volkskrankheit?

Von 5 Befragten antworteten am vergangenen Sonntag im Regionalfernsehen 4 auf die Frage: Was machen Sie Sonntags am liebsten? Sie wären jeden Sonntag im Wald oder im Stadtpark, auf jeden Fall allein und in ruhiger Umgebung. Während sie diese Antworten geben, stehen sie im dicksten Getümmel des verkaufsoffenen Sonntag der Berliner Kaufhäuser.

Was aber tun Sie dann hier? Reporter des anachronistischen Typs neigen zu solchen Sätzen. Ich weiß auch nicht, antwortete es einheitlich. Nur der fünfte entging dem spitzfindigen Nachfragen, indem er gleich zur Antwort gab, er wisse nicht, was er am Sonntag am liebsten täte.

Doch wir verlieren ja die Eckbank aus den Augen. Da die schnippische Antwort offensichtlich nicht dem Anliegen der Sendung entsprach, folgten weitere Auskünfte. Durch die Bank, Mann ist versucht, durch die Eckbank zu schreiben, atmeten alle Antworten eine gewisse Beliebigkeit, wenn auch nicht diese schnippische Beliebigkeit jener Schnippischen. Nur eine der Damen … es waren übrigens erstaunlich viele Damen, die sich da zur Eckbank äußerten. Wie kommt das? Besuchen Männer keine Möbelkaufhäuser? Denken sie zuwenig über Eckbänke nach, haben sie möglicherweise ein eher indifferentes Verhältnis zu Eckbänken? Oder sind Männer einfach diskreter, wenn es um die Veröffentlichung von Leidenschaften geht? ...

 

Vokuhila oder Die moderne Ethnologie

für Gustav Matthies

 Ach, die Realität, pflegte mein Großvater desöfteren abschätzig zu antworten, wenn der erboste Mieter aus der 1. Etage wieder einmal wutschnaubend vor unserer Wohnungstür stand und, nachdem er den Anlaß seiner Erregung mehr vorgebrüllt als vorgetragen hatte, wie stets damit endete, daß der Enkel meines Großvaters eher eine Zumutung für einen Menschen mit Geschmack denn eine Wonne wäre — das sei nun mal die Realität, der sich die Mutter dieses Balgs vergebens verschließe.

Ach, die Realität …, antwortete mein Großvater während er gelassen an seiner Zigarre zog. Mit der Realität, konnten wir in unserer Familie noch nie viel anfangen.

Volapük kennen vermutlich nur einige wenige der Leser. Voltaren dagegen dürfte vermutlich ein Begriff sein, mit dem ein weitaus größerer Kreis etwas anzufangen weiß, weswegen hier nicht weiter darauf eingegangen werden soll. Doch wer sind die Vokuhila?

Waren sie noch bis vor wenigen Jahren dem aufmerksamen Flaneur allgegenwärtig, gelten sie nun irrtümlicherweise, anders als die artverwandten Oni-Uni und Gabla  als weitestgehend ausgestorben. Ein Zustand, der sich ändern sollte, was sag ich, sich ändern wird.

Sowohl Ethnologen als auch Anthropologen tun sich schwer, wenn die Ureinwohner quasi vor der Bureautür tanzen. Vermutlich ist selbst der verborgenste Botokudenstamm besser erforscht, als die Lebensgewohnheiten der Primitiven einer beliebigen deutschen Kleinstadt. Es scheint, als gilt auch hier eine Lebensweisheit meines Großvaters: Allgegenwart macht unsichtbar ...

 

Das Ostel

ostel (neutr.;  -; -s; -anten;) Landessprachliche Bezeichnung für die Ureinwohner der ehemaligen realsozialistischen Ostelgebiete. Eine männliche Form erübrigt sich „mangels Masse“; eine weibliche Form ist dem Autor nicht bekannt geworden. Das typische O., insofern man überhaupt von einem solchen ausgehen kann, ernährt sich in der Hauptsache von Almosen, vom Mitleid der Schwachsinnigen und der Verachtung der Welt. Seine Tugenden sind Neid und Defätismus. Seine Hauptbeschäftigungen sind Singen (vornehmlich Jammergesänge), Nicken und Denunzieren, weswegen man vom O. auch als einem „Polizeidiener in Wartestellung“ spricht. Die Leidenschaft zum Polizeidienern ist im übrigen auch die einzige bekannte Leidenschaft des O., wenn man von seiner Vorliebe für die Autobastelei  einmal absieht, welche allerdings insofern nicht als typisch für das O. angesehen werden kann ...

 

 


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