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Das Wörterbuch

in der

Geisterbahn

Vakuum bis Vorzüge

mit zeitgeistnahen Illustrationen

Oktober 2011

 

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vampire Eben weil sie sie fürchteten, nannten unsere Vorfahren diese Rasse „gut“ und „schön“, und eben deshalb (= des ½) bekleideten sie sie mit reizenden Gewändern, obgleich sie sehr gut wussten, dass alles andere der Fall war.

vaterländer 3 Dinge darf der Schriftsteller nicht haben, heißt es sinngemäß bei Diodor:  Götter, Freunde, ein Vaterland. Und von Krates ist der Ausspruch überliefert, sein Vaterland sei die Ruhmesverachtung und die Armut, die beide gegen jeden Schicksalsschlag gefeit seien, im übrigen sei er Mitbürger des vor jedem Neide gesicherten Diogenes.

ve In der nordgermanischen Mythologie ein Bruder Odins. — Begriff der auch im internationalen Bankgeschäft seinen festen Platz hat.

verachtung (1) „… Und er richtete sich in voller Größe auf / als habe er die Hölle mit seiner / tiefen Verachtung demütigen wollen.“ (Dante, Inferno X.34 f.) (2) Der Verächter, heißt es, ist schon als solcher wahnsinnig. (3) Es gibt kein Schicksal, das durch Verachtung nicht überwunden werden kann. (4) Man kann nicht vollkommen kennen lernen, nicht völlig sich unterwerfen, den der einen eben noch verachtet hat solange man diese Verachtung nicht hat besiegen können.

verantwortung (1) Fluch & Segen des „irdischen Daseins“; ist doch die Verantwortung das beinerne Korsett, das uns aufrecht unser Dasein zu behaupten zwingt, ist doch andererseits kaum ein Wunsch im Dasein der Gattung so alt, wie der Wunsch, „frei von Verantwortung“ zu sein, dh. „frei wie die Götter“. (2) Lassen wir Ezra Pound zu Worte kommen: „Künstler sind die Fühlhörner der Menschheit.“ Wenn diese Feststellung unverständlich ist und das, was sich daraus ergibt, der Erklärung bedarf, möchte ich es so fassen: die Dichter der Nation sind die Spannungs- und Druckmesser der geistigen Lebenskraft des Volkes. Sie sind Oszillographen, und wenn sie ihre Aufzeichnungen fälschen, richten sie unermesslichen Schaden an. Wenn Sie einen Mann beobachten, wie er schadhafte Thermometer an ein Krankenhaus verkauft, halten Sie ihn doch für einen besonders niederträchtigen Gauner. Aber seit … Jahren wird … mit dem Denken auf ebensolche Weise verfahren, ohne dass es dem ‚Ansehen‘ der Betrüger im mindesten abträglich wäre — Menschen … die alle selbstgefällig von ihrer Unbescholtenheit überzeugt sind und hinsichtlich jeglicher Art von geistiger Feigheit oder Fälschung von Aufzeichnungen gegen alle Gewissensbisse gefeit sind. Verbrecher haben keine geistigen Anliegen. Ist sich der  Lehrer der Literatur darüber im Klaren, dass Autoren, die ihre Aufzeichnungen fälschen, sich an dem geistigen Wohl der Nation vergehen? … Insofern Schule und Presse … diesen Standpunkt nicht verkündet haben, wäre der erste Schritt zur Reform … die Herausstellung der Notwendigkeit ehrlicher Aufzeichnungen … Das bedeutet die Abschaffung jedweder Selbstbespiegelung in der Berichterstattung; es bedeutet die Abschaffung der Selbstgefälligkeit — ob nun der Verfasser ganz allgemein über: Gesellschaftsdinge, über die soziale und wirtschaftliche Ordnung oder über das eigentliche Schrifttum berichtet. Es bedeutet die Abschaffung der lokalen Selbstgefälligkeit … Da die Tages-, Wochen- und Monatspresse aus wirtschaftlichen und persönlichen Ursachen durch und durch verderbt ist, obliegt es offenkundig dem Lehrerstand, das Heft in die Hand zu nehmen, ohne erst lange die Unterstützung der Journalisten und Zeitschriftenleute abzuwarten. Das Geistesleben einer Nation ist kein Privateigentum. Es ist die Berufung des Lehrerstandes, das Geistesleben der Nation gesund zu erhalten … Ein bösartiges Wirtschaftssystem hat das Denken bis in all seine Verästelungen zersetzt … Das erste Symptom ist träge Sinnesart …, Mangel an Neugier, der Wunsch, in Ruhe gelassen zu werden. Dies ist durchaus nicht unvereinbar mit der Gewohnheit, innerhalb des üblichen Trotts sehr emsig zu sein … Die Krankheit der vorigen anderthalb Jahrhunderte war die Abstraktheit. Sie hat um sich gestreut wie Schwindsucht. Nehmen wir das krasse Beispiel der „Freiheit“. Die Freiheit wurde im achtzehnten Jahrhundert zu einer Göttin und hatte eine Gestalt. Das heißt, die Freiheit wurde in den Menschenrechten umrissen als: „Das Recht, alles zu tun, was anderen nicht schadet.“ Der einschränkende, überaus ethische Vorbehalt war innerhalb weniger Jahrzehnte beseitigt. Der Begriff der Freiheit entartete zur bloßen Unverantwortlichkeit und dem Recht, sich so stur und schwachsinnig zu geben, wie es dem faulsten Untermenschen passen mochte, und beinah jede „x-beliebige“ Tätigkeit auszuüben, ohne sich einen Deut um deren Auswirkungen für die Allgemeinheit zu scheren … (1934) (3) Theodor Lessing hatte anhand des jüdischen Volkes und des Verschwindens des Ethischen einige sehr eindrucksvolle Beschreibungen formuliert, welche bei geringfügigen Änderungen einiger Nomina nichts an ihrer Genauigkeit den Zustande europäischer Intellektueller betreffend verloren haben. „Im alten Israel“, schreibt Lessing, „war die Waage zwischen Freude am Gegebenen und Bau am Kommenden im Gleichmaß. Das Volk zeugte Psalmisten und Propheten. Im neuen Israel aber sind Psalmsänger des Lebens immer weniger geworden; der Propheten immer mehr. Schließlich hörte man nur noch sehr selten ein Minnelied an die Gegenwart, aber viele Gesänge der Hoffnung oder des Zorns. Ja, man könnte glauben, dass unser Volk sich so lange umgewandelt habe in das Volk des geistig-sittlichen Wollens, bis der Jude nicht mehr fühlte, was Religion, was Dichtung ist: Geborgenheit und Seligkeit, Ewigkeit und Ruhe! An Stelle der schönen Lieblinge des Lebens traten feurige Eiferer und wütige Gerechtigkeitsmenschen, denn der in Kampf und Leid gestellte Mensch wird die Tat und den Täter, das Handeln und den Händler immer für höher erachten, denn alle Seher und Träumer. Und der Jude war immer in den Kampf gestellt. Er kann nicht wie Blume und Kind Dankbarkeit fordern schon dafür, dass er da ist und schön ist. Er muss „Werte“ schaffen, um vor sich und den anderen gerechtfertigt dazustehen. Und so über sich hinausgetrieben und aus sich heraus gefallen, wurde er sich selber wertlos, bis ein grauenhaftes Zerrbild erstand, jenem Händler gleich, der, verdorbene Ware verkaufend, seiner Kundschaft zuruft: ‘Glauben Sie mir, meine Ware ist gut; ich stinke.“

verblendung (1) „Dem Lichte meiner Augen will, solang sie frei sind, entsagen ich, indem ich mich dem Hades weihe.“ (2) „Jedes Phänomen der Natur, das man nicht messen kann, ist nicht vorhanden.“ (Poincarés, Mathematiker, 1804 - 1912) (3) Didus Julianus hatte (ca. 193 n. Chr.) für etwa zwölftausend Mark, nach heutiger Währung, an jeden einzelnen Soldaten seine Kaiserernennung („ein paar Wochen Schwelgerei und Todesangst“ — Jakob Burckhardt) erkauft. Um seine Gegner auszuschalten — immerhin 3 Provinzialheere hatten sich gleichzeitig das Vergnügen gemacht, ihre Anführer ebenfalls zu Kaisern auszurufen (Julian war von den Prätorianern ernannt worden!) — Septimus Severus, Pescennius Niger und Clodius Albinus — versuchte Julianus es zuerst mit der Aussendung von Mördern — es gab damals einen Offizier Aquilius, der bei der Ermordung von Großen schon öfter Dienste geleistet hatte und einen Ruf genießen mochte, wie zu Neros Zeiten Locusta.

verbrechen (1) „Alles in dieser Welt schwitzt das Verbrechen aus: die Zeitung, die Mauern und das Gesicht des Menschen.“ (Baudelaire) (2) Bankräuber und Politiker eint die Gewissheit, dass die größten Verbrechen zwar mit Gefahr verbunden sind, aber mit Belohnung vollendet werden.

Verdammnis Das Dilemma des Verdammten, heißt es irgendwo, besteht darin, dass er die Erlösung nicht mehr will.

40 Seiten Text plus 4 Illustrationen

- Sammlerausgabe -


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