Das
Wörterbuch
in der Geisterbahn
Labyrinthe bis
Lyrikker
mit zeitgeistnahen Illustrationen
Oktober 2010
L
labyrinthe
Jene
berühmte von Knossos, welches den Minotaurus beherbergte, galt Karl Keréreyi
als das „Urbild der Totalität von Leben und Tod“.
lächeln
„Und das
Lächeln war mir, wie wenn ich in ein aufgeworfenes Grab schaute.“
lachen
(1)
„Durch Lächeln und noch mehr durch Lachen wird
die kurze Spanne des Lebens verlängert.“ (Laurence Sterne) (2) Wer einsam lebt,
hat selten Grund zum Lachen. Wer in Gesellschaft lebt kommt aus diesem kaum
heraus. (siehe auch Hohn)
lächerlichkeit
Wir
haben selten Glück, wenn wir einen Irrtum oder eine Niederlage durch eine Lüge
aufzufangen versuchen. Man entflieht der Lächerlichkeit nicht, indem man eine
hoheitsvolle Miene aufsetzt. Ich las von einer Dame, einer wirklichen Dame, zu
ihrer Zeit eine der größten Damen der Welt, die in Gegenwart ihres Vetters, des
damaligen Königs von Spanien, während eines intimen Frühstücks ihr Gebiß verlor.
Diskret nahm sie es wieder auf, hielt eine Sekunde lang die Serviette an den
Mund, ließ den Blick über die Tafelrunde gleiten, sah das flüchtige Lächeln auf
den Gesichtern und erblickte endlich unten an der Tafel den geistlichen
Erzieher, bleich vor Mitgefühl. „Mein Lieber Abbé“, sagte sie zu ihm, „ich
wünschte, ich könnte Sie zum Erzbischof machen. Wir beide sind die einzigen, die
nicht gelacht haben.“
ladenkasse
Die
Gottheit des Usura=Kultes. — „wer da kommet seine Hand zu füllen / mit einem
jungen Farren und sieben / Widdern, der wird Priester derer, die nicht / Götter
sind. (2. Chr. 13.9)
ladenschwengel
einst, König Kunde, „Bürger & Edelmann heut’“. Doch einmal Ladenschwengel, immer
Ladenschwengel. Selbst der Schreibtisch der Macht ist ihnen nichts weniger, als
der Tresen, über den sie ihre angegammelte Konkursware betrügerisch verhökern.
laien
„Seine
Tage als Laie waren gezählt.“
laissez=faire=gesellschaft
Demokratie und Laissez=faire=gesellschaft
stehen im selben Verhältnis zueinander wie Theorie und Praxis oder Anspruch und
Wirklichkeit.
lakonisch
Verwandt
mit dem Ironischen, wie dieses eine Sprache, die nicht mehr gesprochen bzw.
nicht mehr verstanden wird; eine Art „Latein für ½=gebildete.“
lakritze
„Zäh wie
Hustenleder“
lamia
Neben
den Lamien als Gattung, als schönen gespenstischen Weibern, welche Kinder und
Jünglinge an sich locken und ihnen nach Weise der Vampire das Blut aussaugen,
wird eine Lamia genannt als Tochter des Belos und der Libye, welche Kinder
raubte und umbrachte aus Groll, weil Hera die ihrigen getötet, die sie von Zeus
hatte.
landschaften
Jean
Paul schilderte am liebsten die Gegenden, die er niemals gesehen hatte; (auch
vermied er den Nachhineinanblick derselben — „weil die Wirklichkeit nur stören
würde.“) Bulwer, Monika Westhaft und Wolfskate dito.
langeweile
(1)
Der nie von echtem Ausruhn erfrischte Blick — der
Blick von gestern. (2) Nichts anderes als 1 lange Abschweifung über die Qual zu
leben, das höllische Mißgeschick zu existieren, ohne Schweineschnauze, in 1
Gesellschaft ohne Gott. (3) Wenn es kein menschliches Unglück gibt, gibt es die
Langeweile. Nie hat einer an der Langeweile des Menschen teilgehabt und dabei
seine Seele wahren können. Die Langeweile des Menschen wird mit allem fertig,
sie könnte die Erde zerweichen.
laster
(1)
„Die Nächstenliebe wie 1 Laster ausüben.“ — „Ihre
Art zu beten glich einer einzigen Häresie.“ (auch umgangssprachlich für
LKW, ein Umstand, der die Verständlichkeit von Mitteilungen allgemeiner Natur
nicht eben vereinfacht. Die Zahl seiner Laster ist beachtlich. Oder
Sie konnte von ihrem Laster nicht lassen. … Er war Lasterpfarrer aus Berufung …)
(2) Der besondere Haß, den Lüge, Ränke, Intrige, Heuchelei in Deutschland auf
sich ziehen, gilt vermutlich viel weniger dem Laster selbst, als der in diesem
Laster auch enthaltenen Tugend. (Wolfgang Pohrt) (3) Hören wir Camus dazu: „Die
Menschen sind eher gut als böse, und in Wahrheit dreht es sich gar nicht um
diese Frage. Aber sie sind mehr oder weniger unwissend, und das nennt man dann
Tugend oder Laster. Das trostloseste Laster ist die Unwissenheit, die alles zu
wissen glaubt und sich deshalb das Recht anmaßt, zu trösten. Die Seele des
Mörders ist blind wie die Seele des Bürokraten, und es gibt keine wahre Güte,
noch Liebe ohne die größtmögliche Hellsichtigkeit.“
latein
Die
Mutter aller zivilisierten Sprachen; denn sind nicht letztendlich alle Sprachen
des Abendlandes, einschließlich der amerikanischen Kontinente, mehr oder weniger
lateinische Dialekte …
latrinen
„Es gibt
Menschen, die man nicht anders als Durchgang von Speisen, Vermehrer von Kot und
Füller von Abtritten nennen muß, weil durch sie nichts anderes auf der Welt
erscheint, keine Tugend sich ins Werk setzt und von ihnen nichts übrig bleibt
als volle Latrinen“ … schreibt Leonardo da Vinci in seinem Tagebuch.
24 Seiten Text plus 6
Illustrationen
- Sammlerausgabe -
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